ÖBB Geschäftsbericht 2022
68 Konzernlagebericht Kapitalmärkte und Staatshaushalt Seit 2016 werden die erforderlichen Finanzmittel für die Infrastrukturinvestitionen der ÖBB-Infrastruktur AG durch die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) am Kapitalmarkt aufgenommen. Die Finanzierungskosten sind daher durch das Zinsniveau von Bundesanleihen bestimmt. Nach zweijähriger Negativperiode drehten die Emissionsrenditen für Bundesanleihen im Periodendurchschnitt 2022 bei einer durchschnittlichen Laufzeit von rd. 14 Jahren wieder ins Plus. Damit erreichten sie einen auch im Vergleich zum Vorkrisenniveau beachtlichen Wert von 1,29%. Ebenso in der monatlichen Betrachtung wiesen die Emissionsrenditen unabhängig von der Laufzeit im gesamten Jahr 2022 positive Werte auf. Auch der Durchschnitt der Renditen aller aktuell im Umlauf befindlichen österreichischen Bundesanleihen liegt nach drei Jahren negativer Entwicklungen nun mit einem Wert 1,279% im Jahr 2022 erstmals wieder deutlich im positiven Bereich. 27 Das bedeutet, dass die Anleger:innen angesichts massiver öffentlicher Ausgaben und dem Anstieg der Verschuldung mittlerweile wieder einen Risikoaufschlag verlangen. Auch die abrupte Abkehr der EZB von ihrer Nullzinspolitik geht angesichts der dramatischen Inflationsentwicklung nicht spurlos am europäischen Anleihenmarkt vorüber. Im Verlauf des Jahres 2023 ist mit einem Aufwärtstrend bei den Emissionsrenditen zu rechnen. 28 Die Bonität Österreichs bleibt weiterhin hoch, der Ausblick aller maßgeblichen Ratingagenturen steht auf stabil. 29 B.2. Politische und regulatorische Rahmenbedingungen GRI 201-4 ÖBB Mitarbeiter:innen analysieren laufend die gesellschaftlichen sowie die politischen Rahmenbedingungen. Auf Basis dieser Analysen formulieren sie Positionspapiere, Stellungnahmen und Änderungsanträge für relevante Gesetzgebungsinitiativen in Österreich sowie in Brüssel und bereiten Informationen für Entscheidungsträger:innen auf. Um die Qualität und Relevanz dieser Informationen zu gewährleisten, arbeiten die Mitarbeiter:innen dabei eng mit internen Fachexpert:innen und externen Stakeholder:innen zusammen. GRI 2-29 Im abgelaufenen Jahr waren sowohl die politische als auch die mediale Debatte in Österreich und in Europa von Krisen geprägt – von COVID-19 über den Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Energiepreiskrise und hohe Inflation bis zur Klimakrise. Die wirtschaftliche Abfederung der Krisenfolgen sowie die Mitgestaltung der Rahmenbedingungen für eine klimafreundliche Verkehrswende standen allgemein im politischen Fokus wie auch im Zentrum der Arbeit der damit betrauten ÖBB Mitarbeiter:innen. Die Folgen der Pandemie für den ÖBB-Konzern waren 2022 noch deutlich spürbar – trotz des Anstiegs der Fahrgäst:innenzahlen, insbesondere im Fernverkehr ab Mai 2022 sowie dem Anstieg der Gütermengen vor allem im ersten Halbjahr 2022. Dementsprechend engagierten sich die ÖBB – in erster Linie im Dialog mit der österreichischen und europäischen Politik – für die Abfederung der Systemkosten. Gelungen ist dies u. a. durch die bis Jahresende 2022 verlängerte, befristete Aussetzung des Infrastrukturbenutzungsentgelts (IBE – „Schienenmaut“). Die Grundlage dafür bildete die EU-Verordnung 2020 / 1429 auf Basis des EU-COVID Krisenrahmens. Österreichisches Beihilfemodell für den Schienengüterverkehr erneuert und notifiziert Ein wichtiger Meilenstein zur Stabilisierung der Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs gegenüber dem Straßentransport per Lkw wurde durch die Überarbeitung und neuerliche Notifizierung des bestehenden österreichischen Beihilfemodells erreicht. Das heimische Fördermodell trägt bereits seit Jahren wesentlich dazu bei, dass die steuerlichen und verkehrspolitischen Nachteile der Schiene gegenüber der Straße zumindest teilweise ausgeglichen werden. Dadurch liegt der Modal-Split-Anteil des Schienengüterverkehrs in Österreich mit 28,0% am Gesamtgüterverkehrsaufkommen deutlich über den durchschnittlich 18,0% im EU-Raum. Da der bisherige, EU-notifizierte Beihilferahmen Ende 2022 ausgelaufen ist, wurde seitens der ÖBB ein Schwerpunkt auf die Mitarbeit an der Verlängerung und Überarbeitung des Beihilfemodells für die nächste Periode gelegt, die von 2023 bis 2027 läuft. Im Zuge der Anpassung wurde auch der maximale Förderrahmen für Schienengüterverkehr – speziell im sensiblen Alpenbereich – erhöht. Gleichzeitig wurde das bisherige Modell um ein Trassenpreisförderungsmodell ergänzt, das für den „Einzelwagenverkehr“ (EWV), den „Unbegleiteten Kombinierten Verkehr“ (UKV) und die „Rollende Landstraße“ (RoLa) zum Tragen kommt. Für die Beihilfe sind im Bundeshaushalt 2023 Mittel in der Höhe von rd. 173,0 Mio. EUR vorgesehen. Sie steht allen in Österreich agierenden Schienengüterverkehrsunternehmen zur Verfügung. 2021 wurden damit knapp 60% der gesamten heimischen Schienengüterverkehrsleistungen unterstützt. Dieses erfolgreiche österreichische Beihilfemodell gilt international als Benchmark. Die ÖBB haben sich die Weiterverbreitung dieses Fördermodells zum Ziel gesetzt, um die Rahmenbedingungen für den stark international ausgerichteten Schienengüterverkehr europaweit zu verbessern. Mittlerweile wird dieses Modell in zahlreichen europäischen Staaten in gleicher oder ähnlicher Weise implementiert, darunter Deutschland, Frankreich, Ungarn, Kroatien, Slowenien und die Slowakei. 27 OeNB. 28 Kurier, Tagesspiegel. 29 OeBFA. | LB9
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