railaxed - SOMMER 2021
36 Foodblog © Illustration: Blagovesta Bakardjieva, carolineseidler.com; Fotos: Michael Genswaider „Bello coco coco bello“, dringt es durch die Schirmreihen. Der muskelbepackte, mit einer Kühlbox geschulterte Kokosmann – er könnte auch einer Softdrink-Werbung entsprungen sein – zieht seine Runden durch den heißen Sand. Zwischen den ohren betäubenden Rufen, die einem – auf der Suche nach einer Prise Dolcefarniente – den letzten Nerv rauben, ein kurzer Segen der Stille. Das Meeresrauschen drängt sich auf. Zumindest für einen Bruchteil einer Sekun- de. Die Kokosnuss bekommt Gesellschaft. Geschätzte 15 Badetücher auf jedem Arm, 25 bestickte Tischdecken, in den schrillsten Farben leuchtende Batikstrandkleidchen auf seinen Schultern und in jeder Hand täu- schend echt wirkende Handtaschen, Uhren und Markensonnenbrillen bietet der Strand- händler den Sonnenhungrigen an. Der in Kauflaune befindliche, über die Geschäfts- gebarung mir scheint bestens informierte Schirmnachbar, fängt mit dem bereits völlig erschöpften Strandhändler zum Feilschen an. Während der Nachbar sichtlich glücklich über den verhandelten Preis für sein neues Strandtuch ist, zieht der Händler mit seiner vielen Kilo schweren Ware in der sengenden Sonne weiter. Es kehrt wieder Ruhe ein – für gefühlte 25 Sekunden. Dann kommt die nächste Geschäftstüchtige – dieses Mal mit Fußreflexzonenmassage im Programm. Das Klingeln der Küchenuhr holt mich zurück. Zurück in die Gegenwart, ins schöne Nieder österreich. Ins Hier und Jetzt. In meine Küche. Der Pastateig – und damit nicht nur er – hat seine Ruhezeit beendet. Die leichte Sommerbrise und die wohltuenden Sonnenstrahlen auf der Haut sorgen dafür, mich in die Vergangenheit und damit an den Strandabschnitt von Bibione zu katapultie- ren. Für die gesamte Kindheit und Jugend- zeit war das definitiv das Highlight meines Sommers. War es früher die unbändige Lust nach Meer und lebendigem Strandtrei- ben, die meine Eltern, meinen Bruder und mich Jahr für Jahr dort hinfahren ließen, ist es heute vielmehr der Esprit Italiens, die Gerüche der Kräuter und Gewürze, die Suche nach La Dolce Vita und die unstillbare Leidenschaft der italienischen Küche. Viel- leicht habe ich mich auch deshalb so sehr in sie verliebt, weil die Italienerinnen und Italiener ihr Küchenhandwerk wie kein an- deres Volk verstehen, selbst aus einfachsten Zutaten der Saison schlichte Alltagsgerichte bis hin zu aufwendigsten Speisen auf den Tisch zu bringen. Heute wie damals ist der Küstenabschnitt Oberitaliens die Kulisse für Erholungssuchende und das Kaiserreich der Esskultur. Was würde ich jetzt bloß für einen Aperol Spritz an einer der Strandpromena- den geben? Dafür würde ich sogar all diese umtriebigen Strandhändlerinnen und Strand- händler in Kauf nehmen. Ganz wie früher. • Auf der Suche nach La Dolce Vita Von Strand, Geschäftemacherei und Pastaliebe
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